Gärtnerplatztheater"My Fair Lady" mit Nadine Zeintl und Michael Dangl - die AZ-Kritik
Robert Braunmüller, 14.02.2018 - 17:09 Uhr
*23.9. WA "My Fair Lady" im Staatstheater am Gärtnerplatz, München
*"Geheimnis einer Unbekannten" mit M.Ebm (Hampton/Zweig) und "Die Liebe Geld" (UA von Glattauer) wieder in der Josefstadt
* 2.10. Premiere "The Parisian Woman" mit M.Köstlinger, H.Föttinger
*10.10. 21.40 Ö1: Neue Texte: Michael Dangls HYMNOS AN DEN SÜDEN
Folke Braband hat dem "Vornamen" seine leichtfüßige französische Note zurückgegeben. Michael Dangl spielt mit Bravour, Susa Meyer hat ihren großen Auftritt spät, dafür fällt er umso denkwürdiger aus: eine Grande Dame trotz Schürze, köstlich.
Insgesamt: heiter, bitter, aktuell und sehenswert.
(Die Presse)
Regisseur Folke Braband hat im schicken Wohnzimmer-Bühnenbild von Tom Presting punktgenau inszeniert. Da stimmen Tempo und Timing, da werden die Pointen treffend serviert, da machen die (nicht nur) verbalen Spiegelfechtereien einfach sehr viel Spaß. Auch und vor allem dank des furios aufspielenden Darstellerquintetts. So ist Michael Dangl ein hinreißend lässiger Vincent, der grandios zwischen allen Gefühlslagen changiert und in Michaela Klamminger die passende Mutter in spe gefunden hat. Als Vincents Schwester Elisabeth liefert Susa Meyer nicht nur den schönsten Nervenzusammenbruch des Abends ab, sondern rechnet auch vehement mit ihrem von Marcus Bluhm köstlich-trocken verkörperten, irrsinnig gelehrten Spießer-Ehemann Pierre ab. Fünfter im Bunde ist Oliver Rosskopf als sensibler Musiker Claude, der sich genüsslich an Künstler-Klischees abarbeitet. Das dürfte ein echter Renner werden.
(KURIER)
Michael Dangl gibt in Folke Brabands solide-pointierter Inszenierung Vincent, der für einen Gag über Leichen geht, geschmeidig gerade noch jenseits der Grenze zum Ungustl. Marcus Bluhm lässt wirklich sehr lustig die Fassade des kultivierten Literaturprofessors bröckeln, wohl selten hat jemand so drollig beklagt, dass ihm "ein Mord gestohlen" wurde. Oliver Rosskopf gerät als Claude anmutig und mit Körpereinsatz zwischen die Fronten. Michaela Klamminger als Vincents schwangere Freundin Anna wechselt rasant von Naivität zu scharfer Strenge. Mit voller gewitzter Wucht kann Susa Meyer als Elisabeth mit einer gnadenlosen Generalabwatschung punkten. Mit seinen etwa 90 Minuten ist "Der Vorname" in den Kammerspielen perfekt getimte, intelligente Unterhaltung.
(Wiener Zeitung)
Großartig ist es, wie Folke Braband die Charaktere von Beginn an in ihren Grundzügen in der witzig-spritzigen Inszenierung skizziert. Wenn sich Michael Dangl von der Josefstadt in deren Kammerspiele begibt, ist das stets ein großes Glück fürs Publikum. Dangl ist auf seiner Position als Wuchteldrucker wie entfesselt. Er spielt sein komödiantisches Können nicht nur im Konversationston der tadellosen Übersetzung von Georg Holzer aus, sondern sogar in der Körpersprache, und während Tempo-und-Timing-Experte Braband dafür sorgt, dass die Pointen auf den Punkt genau sitzen, steigert sich das Ensemble von den anfangs liebevollen Neckereien unter Menschen, die einander seit Ewigkeiten kennen, zur aggressiv aufgeladenen Hysterie angesichts des historisch belasteten Namens. Die zur Polemik geschliffenen Dialoge, die boshaften Wortgefechte, die Abgründe zwischen großsprecherischen Moralansprüchen und kleingeistiger Gehässigkeit, zwischen gesellschaftspolitischem Über-Ich und privatisiertem Es, entfalten in den 90 Minuten Aufführungsdauer ihre Wirkung: Man sieht in einen Spiegel und lacht. Nach und nach werden nicht nur Eigenschaften und Eigenheiten des Quintetts bloßgelegt, sondern auch diverse Ressentiments, die den für sich in Anspruch genommenen Humanismus unter der Gürtellinie treffen. In diesem Infight der Josefstädter bewährt sich Neuzugang Michaela Klamminger bestens, die sich mit ihrer pfiffigen Darstellung der so fragil wirkenden, hochschwangeren Anna, die aber genau weiß, wie sie ihren Filou Vincent an die Kandare nimmt, für kommende größere Aufgaben empfiehlt. Oliver Rosskopf spielt die sensible Seele Claude Gatignol mit wohldosiertem Humor. Susa Meyer gehört, als alle anderen am Ende sind, die Highlight-Szene dieses höchst amüsanten Abends, eine emanzipatorische Explosion samt Abgang mit einer Flasche Hochprozentigem. Mit viel Gespür für Doppelsinn und Hintersinn haben Folke Braband und seine Schauspieler die bildungsbürgerliche Fassade der Familie zum Zerbröseln gebracht. Der Vorname an den Kammerspielen ist ein scharfzüngiges, augenzwinkerndes, aberwitziges Stück Theater. Und absolut sehenswert!
(Mottingers Meinung)
Diese Produktion ist ein Fest für die ganze Familie.
Köpplingers Personenführung überzeugt. Es geht stets schnell und zügig zur Sache, wobei jede einzelne Figur liebevoll-individuell geschildert wird. Michael Dangl etwa wandelt sich als Fortunatus Wurzel überzeugend vom prassenden Säufer hin zu einem alten, gebrochenen Mann. Sehr anrührend sein Abschied von der Jugend (stark: Theresa Dax). Großartig auch dank des so fabelhaften Wolfgang Hübsch der Eintritt des Alters in die Glamourwelt. Und die vielen Geister? Die muss man einfach gern haben. An der Spitze Alexander Pschill, der als tollpatschiger Ajaxerle nicht nur perfekt schwäbelt. Oder Julia Stemberger, die ihrer Zufriedenheit eine große Noblesse verleiht. Und natürlich Martin Niedermair als köstlicher Neid. Dazu kommen noch Dominic Oley, Alexandra Krismer, Alexander Strömer, Patrick Seletzky, Oliver Rosskopf und Ljubia Lupo Grujcic. Die Menschenseite wird von Johannes Seilern und Paul Matić tadellos komplettiert; das junge Liebespaar ist bei Tobias Reinthaller (Karl Schilf) und Lisa-Carolin Nemec (Lottchen) sehr gut aufgehoben. Ein Triumph des exzellenten Ensembles.
(KURIER)
In Josef E. Köpplingers wunderbar vitaler Raimund-Inszenierung nützt alles nichts, und doch gewinnen alle alles. Die Jugend tritt endlich einmal nicht als misstönende Kitsch-Gewerbetreibende auf. Sie singt ihr Brüderlein fein als strahlend schöne Sopranistin (Theresa Dax). Das Alter (Wolfgang Hübsch) beginnt Wurzels Maßregelung als Anthony Hopkins des Alpenhauptkamms, nur um sich Sekunden darauf in einen Vampir zu verwandeln. Sonderbarerweise aber schleudert der tiefe Fall des Fortunatus Wurzel den Josefstadt-Schauspieler Dangl in lichte Höhen. Kaum jemals hat man das Aschenlied zurückgenommener gehört, dabei derart sittlich veredelt und von tiefem Nachdenken erfüllt. Das Publikum sollte diese famose Produktion mit Zuspruch belohnen.
Kaum jemals hat man das Aschenlied zurückgenommener gehört, dabei derart sittlich veredelt und von tiefem Nachdenken erfüllt. Das Publikum sollte diese famose Produktion mit Zuspruch belohnen.
(Der Standard)
Josef E. Köpplinger denkt Raimund klug weiter. Ohne den Charme der scheinbaren Naivität zu vertreiben, inszeniert er die Figuren als Ideologieträger im Bogen zwischen Tugendhaft und Böse, Unvernünftig und Vernünftig. Dank vieler Personen- und Textstriche verkünden sich die Botschaften dieser multiplen Besserungs-, zugleich Aufklärungsaktion kantig und direkt.
Michael Dangl zeigt Fortunatus Wurzel rundum mit Untugend bespickt, dabei menschlich nahe, die Brechstange des Volksschauspielers in Watte gepackt auch in den großen Momenten aus dem Kanon des österreichischen Theaters - Auftrittslied, sekundenschnelle Vergreisung, Aschenlied. Dangls schwarzer Wuschelkopf mit Schnauzer, die Stimme aus dem Bauch, steigert die Saufbrüderszenen zu wahren Milieubildern. Theresa Dax reicht als strahlende Jugend ihren Probanden weiter zu Wolfgang Hübsch. Der ist 79, doch einen Finger durchs Haar gezogen und die Zunge an die Zähne gepresst ist er 99. Nicht der einzige Szenenapplaus an diesem Abend.
"Was reden sie für eine schöne Sprache", rätselt Wurzel, die Fee Zufriedenheit erblickend. Julia Stemberger, elegant im kleinen Schwarzen, spricht mehr als schön: erhaben. Lottchen Lisa Carolin-Nemec ist eine junge Frau, die weiß, was sie will. Ihr Karl, Tobias Reinthaller, beweist, dass sich ein Armer in neuem Luxus nur verbiegen kann. Paul Matic, mehr Wächter als Diener im reichen Haus, sagt mit unheimlicher Weisheit nicht viel mehr als "Schon recht". Hass und Neid, Dominic Olay mit rotem Langhaar und Martin Niedermair in Beamteneleganz raufen um ihr Opfer. Auf Tempo und Witz trainiert die ganze junge Geistermannschaft. Ein Raimund auch für Junge.
(Wiener Zeitung)
Regisseur Josef E. Köpplinger versucht das Tollkühne: Er spielt das Stück, wie es im Buch steht, und gewinnt ein magisches Original.
Das Stück ist fabelhaft, in seinem Blödsinn nicht weniger als in seinem Tiefsinn, und es ist ein Fundus erstklassiger Rollen, die hier tadellos besetz sind. Michael Dangl ist ein virtuoser, berührender Wurzel, und neben Johannes Seilern und Julia Stemberger ist Wolfgang Hübsch als wahrhaft ereignishaftes, unvergessliches hohes Alter hervorzuheben.
(Kronen Zeitung)
Köpplinger setzt auf die Originalpartitur von Joseph Drechsler und lässt ein fünfköpfiges Bühnenorchester (Musikalische Leitung und Arrangements: Jürgen Goriup) aufspielen. Dieses sorgt gemeinsam mit der jungen Sopranistin Theresa Dax für einen Magic Moment, der alleine bereits lohnt: Ihr als von Fortunatus Wurzel Abschied nehmende Jugend gesungenes "Brüderlein fein" ist musikalisch auf höchstem Niveau, ihr ganzer Auftritt von anrührender Zartheit.
Als energischer, stattlicher Herr tritt Wolfgang Hübsch auf und verwandelt sich ansatzlos in einen mümmelnden Greis, wenn es darum geht, Wurzel seine nahe Zukunft vor Augen zu führen großer Szenenapplaus.
Lisa-Carolin Nemec beeindruckt als schlichtes, liebenswertes Lottchen. Alexander Pschill als schwäbelnder Ajaxerle, Dominic Oley als erfolgsgewohnter Hass und Julia Stemberger als mütterliche Zufriedenheit stechen aus dem Geisterreigen hervor.
Zweieinhalb Stunden Unterhaltung.
(APA)
Köpplinger setzt auf Raimunds bissigen Wortwitz, würzt das Singspiel durchaus mit dessen Depression, verzichtet auf allzu Liebliches und das ergibt in Summe mehr Ferdinand Raimund, als andere Inszenierungen von sich sagen können. "Der Bauer als Millionär" an der Josefstadt versteht sich als Unterhaltung. Mit Haltung.
Zwei Höhepunkte des Abends: Wenn Sopranistin Theresa Dax als Jugend ihr "Brüderlein fein" singt, und sich nicht nur stimmlich auf höchstem Niveau, sondern schauspielerisch, angetan mit einem rosa Bubenanzug, als ein androgynes Wesen von anrührender Zartheit präsentiert. Ebenfalls Szenenapplaus gab es für ihr Pendant, Wolfgang Hübsch als das hohe Alter ein Respekt gebietender, resoluter Mann von Welt, der sich unversehens in einen zynischen, zahnlos scheinenden Mummelgreis verwandelt, sowie er Wurzel die nun anstehenden Zipperlein vor Augen führt. Hübschs trockener Humor ist geradezu das Paradebeispiel für die Köpplinger-Handschrift dieser Aufführung.
(Mottingers Meinung)
Josef E. Köpplinger schöpft aus dem Vollen, um das biedermeierliche Singspiel mit all seinen allegorischen Anspielungen und menschlichen Irrungen sanft zeitgemäß in Szene zu setzen. Musikalisch belässt er das Stück unter Verwendung von Joseph Drechslers Vorlage in der Entstehungszeit. Das kleine, vor der Bühne platzierte Ensemble rund um Jürgen Goriup entführt auf äußerst anmutige Weise ins Wien des frühen 19. Jahrhunderts.
Verdienstvoll auch die Gesangseinlagen, wobei vor allem Theresa Dax als burschikos-androgyne "Jugend" ihr "Brüderlein fein" hervorragend meistert. Bühnenbildner Walter Vogelweider und der für die Kostüme verantwortliche Alfred Mayerhofer umschiffen die Retro-Klippe fantasievoll mit markanten, nicht eindeutig einer Epoche zuordenbaren Details. Michael Dangl ist ein überaus kraftvoller Fortunatus, bis zum versöhnlichen Schluss mehr Schlitzohr als naiver Landwirt. Freude bereiten an diesem ebenso harmlosen wie vergnüglichen Abend zudem einige Darsteller, die aus ihren Rollen kleine Schmuckstücke zaubern. Szenenapplaus erhält Wolfgang Hübsch als "Hohes Alter", der Diener Lorenz des Johannes Seilern ist ein richtig schleimiger Intrigant und die "Zufriedenheit" der Julia Stemberger eine souveräne Problemlöserin von Erdenkinder-Sorgen.
(Tiroler Tageszeitung)
Wolfgang Hübsch begeistert als hohes Alter. Michael Dangl ist sprachlich souverän und zeigt sein Format. Völlig authentisch wirkt Johannes Seilern als Wurzels Kammerdiener Lorenz. Witzig: Alexander Pschill in der Paraderolle des patscherten Ajaxerle. Julia Stemberger erfreut als würdige Zufriedenheit. Exzellent einstudiert ist die Musik, selten sang das Josefstädter Ensemble so harmonisch.
(Die Presse)
Das wird ein riesengroßer Erfolg. Dass der Regisseur vor allem auch ein Mann des Musiktheaters ist, tut dem Raimund gut. Er inszeniert das Märchenhafte dynamisch, showmäßig, aber immer liebevoll. Das Bühnenbild ist perfekt. Michael Dangl begeistert als Fortunatus. Das ist keine Figur der Theatergeschichte, das ist eine der Gegenwart. Der Erzkomödiantin Alexandra Krismer gelingt das Kunststück, die unspielbare Exposition der Lacrimosa zu einer kleinen Nummer zu machen. Das hohe Alter tritt als Grandseigneur auf, fällt dann in das greisenhafte Rollenspiel und geht als Grandseigneur wieder ab, magisch. Wolfgang Hübsch hat sich spätestens mit dieser Rolle in die Riege der großen österreichischen Schauspieler eingereiht.
(Die Zeit)
Robert Braunmüller, 14.02.2018 - 17:09 Uhr